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Artikel aus: Mannheimer Morgen vom 8. Oktober 1993
Wir sind ein Teil der Gesellschaft“
Podiumsdiskussion zur Ausländerpolitik im Rahmen der interkulturellen Wochen
Migranten, Nicht-Deutsche, ausländische Inländer oder inländische Ausländer? Was sind sie eigentlich, die hier geborenen und aufgewachsenen Jugendlichen, Kinder der sogenannten Gastarbeitergeneration? Während der Podiumsdiskussion im Rahmen der interkulturellen Wochen waren Antworten gefragt.
„Vor allem sind wir unmündige Bürger“, brachte Sükrü Turan von der Gruppe mit dem provokanten Namen „Die Unmündigen“ seine Minderwertigkeitsgefühle zum Ausdruck. „Hier geboren, 30 Jahre, nie gewählt“ stand auf einem der Plakate, mit der die jungen Türken ihr gesellschaftliches Abseits anprangerten. Was sie fordern? Allem voran die politische Gleichberechtigung: Gleiche Rechte, gleiche Pflichten, „denn wir sind schließlich ein Teil der Gesellschaft“.
Die anwesenden Kommunalpolitiker die CDU war zwar eingeladen aber nicht erschienen wussten sie bei diesem Anliegen auf ihrer Seite. Zur Diskussionsveranstaltung im voll besetzten Saal des Forum der Jugend waren als Diskussionsleiter ein in Stuttgart wohnender Spanier (Guilermo Aparicio), eine in Frankreich geborene Deutsche (Yvette Boedecker, Grüne), eine mit einem Griechen verheiratete Deutsche (Ingeborg Nikitopoulus, FDP), ein Mannheimer (Peter Kurz, SPD), ein Äthiopier (Berhanu Berhe, evangelische Akademie), der Ausländerbeauftragte (Helmut Schmitt) und ein Kurde mit einem türkischen Pass (Sükrü Turan, „Die Unmündigen“) gekommen.
Mit einer Ausländerpolitik, die wie in der Vergangenheit überwiegend Bildungs- und Sozialpolitik war, haben die jungen Migranten nichts mehr am Hut. Kommunales Wahlrecht, Ausländerräte, Koordinierungsausschüsse, Runder Tisch: all das ist für sie Schnee von Gestern, all das „hat mit Integration nichts zu tun.“ Ob in Kindergärten, Schule oder Beruf: Ausländer sind in allen Belangen nach wie vor benachteiligt, belegte Helmut Schmitt anhand von Zahlen.
60 000 Menschen in Mannheim, das sind 20 Prozent der Einwohner, haben keinen deutschen Pass. „Die Diskriminierung eines Teils der Bevölkerung können wir uns in Zukunft nicht mehr leisten“, so das Fazit auf dem Podium. „Wenn wir nicht jetzt handeln, werden wir schwierigen Zeiten entgegengehen“, warnte Ingeborg Nikitopoulus vor einer Radikalisierung dieser Menschen. Die soziale Benachteiligung kann nach Meinung von Peter Kurz aber nur durch ein politisches Mitspracherecht beendet werden. Deshalb müsse in Bonn, darin waren sich alle Politiker einig, „das veraltete und völlig absurde Staatsbürgerrecht“ geändert werden, versprachen sie, sich in ihren Parteien für die Gesetzesinitiative stark zu machen.
Anke Philipp
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